Französisch lernen, um mal hinzufahren?


Oft hört man, Französisch wäre als Fremdsprache die bessere Wahl, weil man da hinfahren kann, anders als bei Latein. Nun, auch bei Latein kann man hinfahren (siehe hier).

Aber betrachten wir Französisch. Wie oft fährt man realistisch betrachtet dorthin? Und wie viel Französisch spricht man da?

Wenn ich meine Reisen nach Frankreich zusammenzähle, dann sind das insgesamt etwa 8 Wochen gewesen. In über 50 Jahren.

Die erste Fahrt war in der Oberstufe, eine zweiwöchige Studienfahrt. Die bisher letzte war ein Familienurlaub an der Côte d’Azur im Sommer 2018. Verbindendes Element all dieser Fahrten ist, dass der Kontakt mit den Einheimischen gering ist und über ein paar Worte im Geschäft kaum hinausgeht.

Längere Gespräche, wirklich länger Gespräche, tiefergehende Gespräche auf Französisch sind nur sehr wenige dabei gewesen. Das unterscheidet Französisch von Englisch. Englisch brauche ich praktisch jeden Tag. Ich habe auch im Ausland schon viele lange Gespräche auf Englisch geführt. In England, in Israel und in Albanien. Da bin ich tief in die englische Sprache eingetaucht und habe mich viele Stunden auf Englisch unterhalten. Auf einer dieser Fahrten, 1999 in Plymouth, haben meine Frau und ich zwei Kirchengemeinden unterstützt, die neu gegründet worden waren. Unter anderem haben wir eine Woche lang von Haus zu Haus Einladungen für diese neue Kirchengemeinde verteilt und an der Haustür mit den Menschen über den christlichen Glauben gesprochen. Englisch habe ich oft gebraucht.

Aber auf Französisch? Wenn ich die Supermärkte und die Bäckereien abziehe, sind es in Summe nur wenige Stunden gewesen. Unter 10, vielleicht sogar unter 5 Stunden. Die meiste Zeit waren wir mit der deutschen Reisegruppe unterwegs.

Wieviel Zeit steckt im Vergleich dazu im Französischlernen?

Bei mir waren das die Klassen 7 bis 12. 6 Schuljahre, jeweils mit rund 40 Wochen Unterricht, 3 Stunden pro Woche plus Hausaufgaben. Sagen wir 4 Stunden die Woche.

In Summe sind das knapp 1000 Stunden, die ich darauf verwendet habe, Französisch zu lernen. Für 5 Stunden Gespräch mit einheimischen Franzosen?

Das bedeutet, das Verhältnis der Lernstunden zu den Gesprächsstunden war etwa 1:200. Ich halte das nicht für wirtschaftlich. Viele Gespräche mit Franzosen könnte man genauso gut auf Englisch haben.

Französische Bücher

Ich habe auch einige wenige französische Bücher. Das erste davon habe ich in Frankreich während der Studienfahrt gekauft. Ich kann mich nicht mehr an die Stadt erinnern, aber auf der Studienfahrt waren wir an einer kleinen christlichen Buchhandlung vorbeigekommen. Solche Buchläden finde ich immer interessant. Ich habe dort eine französische Bibel erstanden, die ich Jahre später verschenkt habe. Und außerdem ein Buch über die Mormonen. Das war das erste, was ich detaillierter über die Mormonen erfahren habe und was mich dazu gebracht hat, über die Mormonen und den Unterschied von deren Lehre zur Bibel aufzuklären. Das Buch war interessant. Ich muss aber hinzufügen, dass es die französische Übersetzung eines englischen Originals war.

Ein zweites Buch möchte ich noch erwähnen. Das ist ein Roman von John Grisham, den ich auf dem Familienurlaub in Antibes gekauft habe. Auch das ist die französiche Übersetzung eines englischen Originals. Wenige Dutzend Seiten habe ich dadrin gelesen. Aber seit dem Urlaub steht es im Bücherregal.

In Summe

In Summe finde ich es interessant, französisch zu können. Aber die Versprechen der Lehre bei der Sprachwahl zur siebenten Klasse, wie wichtig Französisch wäre, haben sich für mich nicht erfüllt, weder zur Schulzeit noch in den drei Jahrzehnten danach. Es hätte auch Italienisch, Spanisch, Niederländisch oder Schwedisch sein können. Auch da kann man hinfahren. Und die Touristen, die dorthin fahren, können meist die Landessprache nicht. Man kommt dennoch zurecht. Und man findet auch genügend Einheimische, die Englisch können.

Man kann Franzöisch lernen, weil man Sprachen generell interessant findet. Man kann Französisch lernen, weil man Land und Leute mag. Aber das Argument, man solle Französisch lernen, weil man da auch hinfahren kann, das überzeugt mich nicht. Ich halte es nur für ein vorgeschobenes Argument der Französischlehrer bei der Sprachwahl.

Wenn wir damals in der Schule Spanisch als zweite Fremdsprache gehabt hätten, dann könnte ich jetzt mit meiner Schwägerin Spanisch sprechen. Der Bruder meiner Frau hat nämlich eine Spanierin geheiratet und lebt jetzt in der Schweiz.

Ich meine: Man lernt Fremdsprachen im Gymnasium wegen der Bildung an sich. Dabei ist es zweitrangig, welche man lernt. Es kann auch russisch oder spanisch sein oder eben Latein.

Ich meine: in Summe kein Punktgewinn für Französisch.

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